Ist eine Enterbung trotz Pflichtteilsrecht möglich?
Viele künftige Erblasser bewegt die Frage, ob eine Enterbung trotz Pflichtteilsrecht möglich ist. Wer sich eingehender mit dem deutschen Erbrecht befasst, stößt zunächst auf die Testierfreiheit gemäß § 1937 BGB. Demnach ist es jedem Menschen freigestellt, eine individuelle Erbeinsetzung vorzunehmen, indem er ein Testament errichtet. Im Rahmen einer intensiveren Recherche entdeckt man allerdings auch, dass die Testierfreiheit ihre Grenzen hat. Hierfür sorgt das Pflichtteilsrecht, denn laut § 2303 BGB steht pflichtteilsberechtigten Personen eine Mindestbeteiligung am Nachlass des verstorbenen Erblassers zu.
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Der Pflichtteil als Beschränkung der Testierfreiheit
Wer den Mut aufgebracht hat, sich der eigenen Sterblichkeit zu stellen, und nun für den Erbfall vorsorgen möchte, findet in der Regel keinen Gefallen an dem in §§ 2303 bis 2338 BGB definierten Pflichtteil. Dieser schränkt die persönliche Testierfreiheit massiv ein, da pflichtteilsberechtigten Personen unabhängig vom Wortlaut der Verfügung von Todes wegen eine Beteiligung am Nachlassvermögen in Höhe von 50 Prozent des gesetzlichen Erbteils zugesprochen wird. Auf den ersten Blick erscheint dies unangemessen, doch der deutsche Gesetzgeber will auf diese Art und Weise dafür Sorge tragen, dass die engsten Angehörigen im Erbfall nicht leer ausgehen. Das Pflichtteilsrecht soll demnach der engen Verwandtschaft zwischen Erblasser und Pflichterbe Rechnung tragen.
Insbesondere die Abkömmlinge des verstorbenen Erblassers sollen durch das Pflichtteilsrecht abgesichert werden. Zu beachten ist aber, dass der Pflichterbe seine Ansprüche den Erben gegenüber geltend machen muss und kein Recht auf bestimmte Nachlassgegenstände hat. Stattdessen soll der Pflichtteil lediglich eine wertmäßige Mindestbeteiligung darstellen.
Eine Entziehung des Pflichtteils erwirken
In Ausnahmefällen sieht der deutsche Gesetzgeber aber durchaus ein, dass eine Gewährung des Pflichtteils aus Sicht des Erblassers unzumutbar wäre. In diesen wenigen Fällen ist eine Enterbung trotz Pflichtteilsrecht möglich. Als juristische Grundlage dient § 2333 BGB. In diesem Paragraphen behandelt das Erbrecht die Entziehung des Pflichtteils und listet die zulässigen Gründe auf. Ist der Abkömmling seiner Unterhaltspflicht dem Erblasser gegenüber nicht nachgekommen, ist eine Pflichtteilsentziehung gerechtfertigt. Dies gilt ebenfalls, wenn der Abkömmling dem Erblasser oder einer diesem nahestehenden Personen nach dem Leben trachtet. Auch die Verübung eines Verbrechens oder eines schweren Vergehens mit Vorsatz gegenüber einer dieser Personen, ist von Gesetzes wegen ein zulässiger Grund für eine Entziehung des Pflichtteils. Darüber hinaus kann auch Straftätern, die zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr ohne Bewährung verurteilt wurden, der Pflichtteilsanspruch nach § 2333 BGB entzogen werden.
Eine umfassende Rechtsberatung lohnt sich für künftige Erblasser, die über eine Enterbung einer eigentlich pflichtteilsberechtigten Person nachdenken, ganz besonders. Zusammen mit dem erfahrenen Juristen kann man ein entsprechendes z.B. Berliner Testament erarbeiten und auch ergründen, ob eine Entziehung des Pflichtteils in dem konkreten Fall möglich wäre.
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